Resolution der Jungen Grünen Schweiz für eine solidarische und feministische Altersvorsorge
Alterspolitik wird oft als kompliziertes und technisches Thema und Konflikt zwischen Jung und Alt dargestellt. Dies schiesst komplett an der Realität vorbei: Auch als Junge wollen wir eine Gesellschaft, in der ein würdevolles Leben im Alter möglich ist. Auch wir hoffen, dass wir eines Tages das Rentenalter erreichen! Mit einem guten Rentensystem werden zudem Junge von der Verantwortung entlastet, ihre Eltern finanziell zu stützen. Um was es eigentlich geht, sind grundsätzliche Fragen der sozialen Gerechtigkeit. Bereits kleine Änderungen in der Finanzierung oder in der Höhe der Renten verteilen Millionen zwischen den Einkommensschichten um. Es ist absurd: Mit der technischen Innovation und der Digitalisierung arbeiten wir immer schneller, präziser und besser. Das Geld für gute Renten für alle wäre da. Doch die Gewinne des Fortschrittes fliessen in die Taschen der reichsten 10%. Das 3-Säule-Modell, wie wir es heute kennen, ist nur für Reiche gemacht und basiert auf einem überholten Familienmodell der 60er Jahre. Für zwei Drittel der Rentner*innen stellt die AHV die Haupteinnahmequelle dar, rund 300’000 Menschen leiden an Altersarmut in der Schweiz. Doch die AHV alleine mit maximal 2'390 Franken pro Monat, die auch erst mit höherem Einkommen erzielt werden kann, ist nicht existenzsichernd. Dabei schreibt der Artikel 112 der Bundesverfassung vor, dass die erste Säule den Lebensunterhalt decken muss. Wir müssen hin zu einer solidarischen Altersvorsorge für alle. Ein würdiges Leben im Alter ist keine Utopie, sondern ein Grundrecht.
Eine echte Gleichstellung bei der Arbeit…
Im Gegensatz zu dem, was in manchen Diskursen behauptet wird, ist die Lage der Arbeitnehmerinnen nicht sehr rosig. Trügerisch wird behauptet, dass eine Erhöhung des Rentenalters für Frauen nur eine gerechte und gleichberechtigte Massnahme gegenüber den Männern sei, die bereits bis in dieses Alter arbeiten. Aber es darf nicht vergessen werden, dass Frauen immer noch zwischen 19% und 32% weniger verdienen als Männer, obwohl die Gleichstellung seit 1981 in der Verfassung verankert ist. Diese unbegründete fehlenden Lohnbeiträge, können wiederum nicht in die AHV einbezahlt werden. Doch die Höhe der Beiträge, die durch Lohngleichheit erreicht werden kann, würde die erwarteten Einsparungen durch ein höheres Rentenalter für Frauen ausgleichen! Die geschlechtsspezifischen Ungleichheiten in der Arbeitswelt treffen Frauen immer noch am härtesten. Sie verbringen immer noch viel mehr Zeit mit unentgeltlicher Haus-, Erziehungs- und Betreuungsarbeit, unterbrechen ihre berufliche Laufbahn, wenn sie schwanger sind, ergreifen Berufe, die mehrheitlich von Frauen ausgeübt werden, und haben es schwerer, in Machtpositionen zu gelangen. Und auch nach dem Rentenalter bleiben sie für den Haushalt verantwortlich und kümmern sich um Enkelkinder.
…für eine echte Gleichstellung in der Rente!
Die Ungleichheiten während des Arbeitslebens übertragen sich auf die Zeit nach der Pensionierung und verschärfen sich. Frauen müssen im Schnitt mit 37% weniger Rente auskommen als Männer. Aus diesem Grund lehnen die Jungen Grünen die aktuellen Reformen entschieden ab. Die AHV ist ein solidarisches System, aber sie ist entgegen dem Verfassungsauftrag nicht existenzsichernd. Die 2. Säule benachteiligt Frauen aufgrund der Ungleichheiten in der Arbeitswelt. Männer haben eine 2. Säule, die doppelt so hoch ist wie die der Frauen. Folglich müssen fast 11% der Frauen direkt beim Eintritt in den Ruhestand Ergänzungsleistungen beziehen. Einer Erhöhung des Rentenalters für sie zuzustimmen, bedeutet, Einsparungen ausschließlich auf dem Rücken der Frauen zu erzielen. Anstatt die Frauen um ihre Renten zu betrügen, müssen wir ihnen den gleichen Lohn wie den Männern zahlen. Dann würden sie höhere AHV-Beiträge zahlen, was dem Versicherungssystem jedes Jahr 750 Millionen Schweizer Franken mehr Einnahmen bringen würde. Wir könnten auch ihre Rückkehr oder ihren Einstieg in die Lohnarbeit fördern, indem wir die Kinderbetreuung ernsthaft unterstützen. Durch den Mangel an bezahlbaren Kinderbetreuungsplätzen, werden junge Familien auch von der Erhöhung des Rentenalters im Allgemeinen negativ betroffen sein, da dies die Millionen Stunden Kinderbetreuung, die von den Großeltern geleistet werden, verringern wird. Dieser Verlust an Betreuungszeiten wird dann eine zusätzliche finanzielle Belastung darstellen und für Frauen sogar ein neues Hindernis für den Zugang zu bezahlter Arbeit darstellen.
Radikale Verkürzung der Arbeitszeit
Für soziale Gerechtigkeit, Umweltschutz und echte Gleichstellung braucht es eine radikale Verkürzung der Lohn-Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich der mittleren und unteren Einkommen. Dies beinhaltet eine Kürzung der Wochenarbeitszeit bei gleichbleibenden oder tieferem Rentenalter. Wenn wir die Produktivitätsgewinne endlich den Menschen zukommen lassen, die sie erarbeiten, statt sie in Taschen von einigen Wenigen fliessen zu lassen, finanziert sich eine solche Verkürzung von selbst. Es würde zu einer gerechteren Verteilung der Vermögen führen und allen mehr Kapazitäten für unbezahlte Care-Arbeit oder politisches Engagement ermöglichen. Zudem halten weder unsere Umwelt noch unsere Gesundheit diesen ständigen Wachstumszwang auf Dauer aus. Eine radikale Verkürzung der Arbeitszeit ist also auch aus einer ökologischen, gesundheitlichen und feministischen Perspektive unabdingbar.
Wie die Altersvorsorge in Zukunft aussehen könnte
Eine Altersvorsorge der Zukunft muss dafür sorgen, dass alle Menschen sicher und ohne Existenzängste alt werden können. Doch während ein kleiner Teil der Bevölkerung immer reicher wird, lebt auf der anderen Seite jede*r sechste Rentner*in in Armut. Diese Ungerechtigkeit ist unter anderem dem asozialen Drei-Säulen-Modell der Schweizer Altersvorsorge zuzuschreiben. Die Jungen Grünen fordern darum eine Totalrevision der Altersvorsorge mit dem Ziel, die erste und zweite Säule zu einer solidarischen Altersvorsorge zusammenzulegen.
Diese neue Altersvorsorge soll nach dem bewährten Umlageverfahren der AHV funktionieren, das Kapitaldeckungsverfahren der beruflichen Vorsorge wird abgeschafft. So fliesst das Geld direkt, transparent und einfach zu den Menschen, die darauf angewiesen sind. Denn die AHV ist mit den geringeren administrativen Kosten viel effizienter und führt zu mehr Rente. Zudem ist das Umlageverfahren unabhängig von den unsicheren Kapitalmärkten und treibt nicht wie die Pensionskassen die Immobilienpreise unnötig in die Höhe. Die Mindestrente muss dabei so hoch angesetzt sein, dass davon alle Menschen in der Schweiz gut leben können, auch ohne auf Ersparnisse oder Ergänzungsleistungen angewiesen zu sein. Die Finanzierung kann sichergestellt werden, indem alle Beiträge direkt und solidarisch in diese neue Altersvorsorge gelangen, statt nach dem Prinzip “jede*r für sich” in die berufliche Vorsorge abzufliessen. Zusätzlich sollen alle Steuerprivilegien der dritten Säule abgeschafft werden, da davon vor allem Reiche profitieren. Auch selbstständige Erwerbende wären mit einer solidarischen AHV nicht mehr auf die private Vorsorge angewiesen. Dies gibt dem Bund weitere Finanzierungsmöglichkeiten der neuen Altersvorsorge.
Anmerkung
In dieser Resolution sprechen wir von Frauen und Männern, weil die Zahlen und Statistiken auf die wir uns beziehen leider nur binäre Geschlechter erfassen. Wir möchten aber darauf hinweisen, dass nicht-binäre Personen auch einen grossen Anteil von unbezahlter Care-Arbeit in der Schweiz leisten und von geschlechtsspezifischen Diskriminierungen in der Altersvorsorge betroffen sein können.
Die Jungen Grünen fordern darum…
Verabschiedet an der Mitgliederversammlung vom 13. August 2022 in Bellinzona.