Der Begriff "Queer" wird im Alltag für Schwule, Lesben, Bisexuelle, aber auch für Inter- und Transsexuelle verwendet. Er umfasst also Personengruppen, die von der heterosexuell vordefinierten "Norm" und/oder dem Mann-Frau-Schema abweichen. Die Queer-Community verbindet, dass sie die Heteronormativität in Frage stellt und möchte, dass jedeR sein/ihr Leben in Frieden so leben kann, wie er/sie es möchte oder wie er/sie eingestellt ist.
Die Jungen Grünen sind zutiefst beunruhigt darüber, dass traditionalistische, realitätsfremde und ideologisierte Familienbilder noch immer höher gewertet werden, als Grund- und Menschenrechte! Viele Kinder wachsen in Familien auf, in denen nicht (nur) eine Frau und ein Mann die Rolle der Eltern einnehmen. Durch die aktuelle rechtliche Situation in der Schweiz werden jedoch ausschliesslich heterosexuelle Paare als Eltern anerkannt, und Kinder in Regenbogenfamilien damit in eine rechtlich schlecht oder gar nicht abgesicherte Situation gebracht. Absurderweise dürfen Einzelpersonen, welche in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft, nicht aber in einer eingetragenen Partnerschaft leben Kinder adoptieren. Personen, die in einer registrierten Partnerschaft leben, dürfen hingegen keine Kinder adoptieren (Art. 28 PartG).
Diese Diskriminierungen gilt es aufzuheben und die in der Schweizerischen Bundesverfassung garantierte Rechtsgleichheit sicherzustellen. Durch die Schlechterstellung, für welche es keine Argumente gibt, wird sowohl der Schutz des Privatlebens (BV 13) als auch das Recht auf Familie (BV 14) grob missachtet. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am 22. Januar 2008 klar festgehalten, dass Homosexualität kein Grund zur Verweigerung einer Adoption sein darf 3. Zudem wird das Kindeswohl von Kindern, die in Regenbogenfamilien leben, verletzt. Das Kind steht nämlich nur zum leiblichen Elternteil in einem rechtlichen Eltern-Kind-Verhältnis, was im Todesfall des leiblichen Elternteils die Trennung von Kind und anderem Elternteil zur Folge hat. Auch im Scheidungsfall wird das Kindeswohl nicht immer garantiert. (1)
Die Jungen Grünen sind absolut davon überzeugt, dass die sexuelle Orientierung (hetero, homo, bi) aber auch Trans– oder Intersexualität die Erziehung und das Aufwachsen von Kindern in keiner Art und Weise beeinflusst, wie dies auch zahlreiche Studien belegen (1). Eine Studie des Staatsinstituts für Familienforschung der Uni Bamberg zum Beispiel kam 2009 zum Schluss, dass bei der perso?nlichen, schulischen und beruflichen Entwicklung der Kinder von Regenbogenfamilien keine Unterschiede zu Kindern von Hetero-Eltern existieren. Adoptionswillige Eltern müssen sich einer strengen Prüfung unterziehen, in der als Hauptkriterium ein geregeltes und stabiles Familiensystem sichergestellt sein muss (3). Dieses können Regenbogenfamilien genauso gut gewährleisten wie Hetero-Eltern. Es liegen keine Gründe für eine Andersbehandlung von Regenbogenfamilien vor. Der heutige Zustand der rechtlichen Schlechterstellung stellt folglich eine massive Diskriminierung, Schikane, Demu?tigung und Degradierung von Regenbogenfamilien gegenüber Familien mit verheirateten Eltern dar.
Die Jungen Grünen fordern eine Gleichstellung aller Partnerschaftsformen und damit auch die Erweiterung des Adoptionsrechts und den Zugang zu Methoden der medizinisch unterstützten Fortpflanzung. Dies soll auch für Familienformen mit mehr als zwei Elternteilen sowie für platonische Partnerschaften gelten. Der Staat hat kein Recht vorzugeben, wer als Eltern akzeptiert und wem verwehrt wird, seine oder ihre Verantwortung als Eltern in einem rechtlich abgesicherten Rahmen wahrzunehmen. Familie ist eine Beziehungsform, die auf Liebe aufbaut. Daher ist es überaus anmassend vorzuschreiben, in welchem Rahmen diese zu erfolgen hat.
Homosexuelle Menschen werden auch heute noch diskriminiert. Dies ist eine Tatsache, welche die Jungen Grünen kritisieren, denn in einer modernen, aufgeklärten Gesellschaft muss jeder Mensch das Recht haben, sein Leben ohne Diskriminierung zu leben. Die sexuelle Orientierung ist daher in den Katalog des Antidiskriminierungsgesetzes aufzunehmen.
Um der bestehenden Intoleranz zu begegnen, ist es wichtig, dass Kinder in der Schule nicht mit Stereotypen und realitätsfremdem Unterricht beeinflusst werden. Die Lehrpersonen müssen während ihrer Ausbildung entsprechend vorbereitet werden, damit z.B. im Aufklärungsunterricht aber auch im restlichen Unterricht alle Lebensformen als gleichwertig vermittelt werden. In den Lehrplänen muss das Thema sexuelle Orientierung zwingend vorkommen. Auch Lehrmittel müssen auf die realen Lebensbedingungen eingehen und verschiedene Lebensformen müssen entsprechend selbstverständlich darin Platz haben.
Auch in vielen anderen Lebensbereichen dominiert die Vorstellung der ausschliesslichen Normalität der heterosexuellen Lebensform. Diese Vorstellung muss angepasst und erweitert werden, denn sie entspricht nicht der Realität. Homosexuelle Interessenvertretungen müssen stärker in gesellschaftliche Prozesse eingebunden und angehört werden. Gleichstellungsbüros sollen sich, wo sie dies noch nicht tun, aktiv auch für die Gleichstellung von nicht heterosexuellen Menschen und gegen Diskriminierungen einsetzen.
Weiter muss die sexuelle Orientierung als Asylgrund anerkannt und entsprechend Asyl gewährt werden, wenn die asylsuchende Person aus einem Land geflohen ist, in dem sie kein homosexuelles Leben führen kann, ohne bedroht zu werden.
Eines von 5'000 Kindern wird nicht als Mann oder Frau geboren 1. Es hat „uneindeutige Geschlechtsmerkmale“ und befindet sich „zwischen“ den Geschlechtern Mann und Frau. Intersexuelle wurden und werden meist an das weibliche oder männliche Geschlecht angepasst: Durch zahlreiche Operationen und Hormontherapien wird Intersexuellen ihr eigentliches Geschlecht entzogen, und sie werden gezwungen, als Mann oder Frau zu leben. Diese Anpassung ist häufig schmerzvoll und traumatisierend für die Kinder und belastet Intersexuelle nicht selten ein ganzes Leben lang, z.B. durch chronische Schmerzen und psychische Erkrankungen.
Es ist paradox, dass Intersexuelle zwangsoperiert werden, wohingegen es Transsexuellen verwehrt oder erschwert wird, Geschlechtsangleichungen vorzunehmen. Transmenschen müssen sich ihrem gefühlten Geschlecht angleichen dürfen und soziale Akzeptanz erfahren. Die Krankenkassen müssen operative Geschlechtsangleichungen und andere Behandlungen, die nötig sind, damit Transsexuelle ein Leben in Würde leben können, bezahlen. Aber auch wenn sich einE TranssexuelleR dazu entschliesst, ihre/seine körperlichen Geschlechtsmerkmale beizubehalten, muss er/sie mit diesem Geschlecht anerkannt werden, das er/sie wirklich hat und leben will. Geschlecht ist nicht nur ein physischer Zustand, sondern auch ein mental-psychischer, und dies gilt es zu respektieren. Das ist eine Frage der Menschenwürde.
regenbogenfamilien.ch
SR-DRS, „Kontext“ 20./21.10.2010
Motion Katharina Prelicz-Huber „Aufhebung des Adoptionsverbots für Personen in eingetragener Partnerschaft“
Broschüre „Selbstverständlich“, pinkcross