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Die Pflicht der Meinungsfreiheit

Mattias Ruchti, 29.01.2014

Seit Wochen schon beschäftigen sich Schweizerinnen und Schweizer mit der Frage: Was darf Satire? Auslöser der Debatte war der Auftritt des Berner Stadtpräsidenten Alexander Tschäppät im Comedy Club in Das Zelt. Einige Zeit später setzte, wegen zwei seiner Sprüche über Italiener, Kritik ein. Ein Basler Anwalt sah sich gar gezwungen eine Anzeige einzureichen. Grund: Tschäppät habe sich in verletzender Weise über Italiener geäussert und diskriminiere damit eine ethnische Personengruppe. Doch Tschäppät steht nicht allein auf dem Komiker-Flur. Auch Birgit Steinegger sowie Massimo Rocchi sehen sich mit der Justiz konfrontiert. Steinegger, weil sie sich einer Theatermaskerade aus dem 19. Jahrhundert bediente, bei welcher sich hellhäutige Künstler das Gesicht schwarz anmalen, um einen dunkelhäutigen Menschen zu imitieren. Rocchi, weil er dem jüdischen Humor unterstellte, nur auf Zinsen aus zu sein.

 

Empörung ist gross

In allen Fällen verweisen die Kläger auf die Rassismus-Strafnorm, Artikel 261 des Schweizerischen Strafgesetzbuches. Diese bestraft mit einem bis zu dreijährigem Freiheitsentzug oder Geldbusse, wer beispielsweise „öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion zu Hass oder Diskriminierung aufruft“ oder sie in ihrer Menschenwürde auf verstossende Weise herabsetzt. Die Komiker sowie grosse Teile der Bevölkerung berufen sich hingegen auf die Meinungsfreiheit und die Kunstfreiheit, Artikel 16 und 21 der Bundesverfassung.

Entscheiden was erlaubt ist und was nicht, soll nun die Justitia. Doch bedarf es überhaupt eines richterlichen Urteils? Wäre es nicht sinnvoller, die Debatte darüber in der Bevölkerung und unter Komikern selbst differenziert zu diskutieren? Bisher scheint lediglich die Empörung riesig, dafür leidet die Objektivität und damit verbunden die Debatte. Für eine tolerante, offene und multikulturelle Schweiz wäre gerade diese unabdingbar.

 

Meinungsfreiheit als kostbares Gut

Die Meinungsfreiheit erweist sich in meinen Augen als ein äusserst kostbares Gut. Allen Bürgerinnen und Bürger der Schweiz ist es erlaubt frei ihre Meinung zu äussern und so zur Gestaltung unseres Landes beizutragen. Weder Polizei noch Militär hindern uns daran unsere Ansichten kundzutun. Doch mit einem solchen Recht gehen auch Pflichten einher. Die Meinungsfreiheit entbindet uns nicht von der Verantwortung die Würde unserer Mitmenschen zu achten und schützen. Sie darf sich niemals, so frei sie auch sein mag, gegen Minderheiten richten und diese diskriminieren. Tut sie es trotzdem, so verliert sie ihre Daseinsberechtigung. So wie sie auch die Würde der Menschen, welche sie herabsetzt, jegliche Berechtigung abspricht. Dafür finden wir in unserem Strafgesetzbuch den Artikel 216.

 

Reflexion statt blosse Konsumation

Satire als eine Kunstform ist davon nicht ausgenommen. Beleidigt sie andere Ethnien, oder ruft gar zu Hass auf so ist sie auf keinste Weise vertretbar. Hält sie uns jedoch den Spiegel vor Augen und erinnert uns daran, welch Verantwortung wir gegenüber unsern Mitmenschen haben, so kann sehr wohl auch diese Form der Kunst zu Erkenntnisgewinn beitragen. Verbinden wir doch alle bestimmte Eigenschaften mit gewissen Personengruppen, so werden beispielsweise schnell mal aus Bankern Abzocker. Wichtig scheint mir aber, dass uns dies immer bewusst sein sollte. Nur so kann man diese Schubladisierung im ernsthaften Diskurs, beispielsweise über Managerlöhne oder das Asylwesen, auch ablegen. So sind nicht alle Banker Abzocker, sowie auch die Italiener nicht fauler sind als andere Menschen. Damit dieser gedankliche Prozess vonstattengehen kann braucht es jedoch nicht nur gute Satirikerinnen und Satiriker sondern auch Zuschauer, die nicht bloss konsumieren, sondern auch reflektieren.

http://www.youtube.com/watch?v=5Q7yQkeqyGg

Über den Autor

Mattias Ruchti

jung, dynamisch,engagiert

Mattias Ruchti, geb. 1993 studiert derzeit an der Universität Zürich Philosophie & Wirtschaft/Politik. Seit rund 5 Jahren als Junger Grüner aktiv.

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