Luca Maggi, 03.03.2014
Die Zürcher Gegner des sogenannten Hooligan-Konkordats können einen späten politischen Erfolg feiern. Dank unserer Beschwerde vor Bundesgericht gegen die Abstimmungszeitung vom 9. Juni 2013 wird die offizielle Abstimmungsinformation im Kanton Zürich sachlicher. Ein Überblick.
Erinnern wir uns zurück – am 9. Juni des letzten Jahres stimmte die Zürcher Stimmbevölkerung über das sogenannte Hooligan-Konkordat ab. Mit deutlichen 86 Prozent stimmte die Zürcher Stimmbevölkerung den Verschärfungen zu. Die Debatte über Sinn und Unsinn des Konkordats wurde im Vorfeld der Abstimmung heftig und emotional geführt (sie soll an dieser Stelle nicht noch einmal aufgerollt werden). Besonders viel Öl ins Feuer goss dabei der Zürcher Regierungsrat Mario Fehr. Als Sicherheitsdirektor setzte er sich vehement für die Verschärfung des Konkordats ein und war für die Stellungnahme des Regierungsrats in der offiziellen Abstimmungszeitung verantwortlich. Um seinem Anliegen auch bildlich Nachdruck zu verleihen, publizierte er darin zwei Fotos des abgebrochenen Zürcher Fussballderbys aus dem Jahr 2011.
Kritik des Komitees
Dem Komitee „Kollektivbestrafung Nein“, welches die Kampagne gegen die Konkordatsverschärfungen führte, ging dieser Schritt zu weit. In einer Medienmitteilung beschuldigten wir den Regierungsrat den Abstimmungskampf zu „verfälschen“. Die Bilder beurteilten wir als „reisserisch“ und „unsachlich“:
„Die Bilder, welche der Regierungsrat in der Zeitung verwendet, verfälschen nach Ansicht des Komitees die freie Meinungsbildung der StimmbürgerInnen. Mit Bildern des abgebrochenen Zürcher Fussballderbys wird suggeriert, dass solche Szenen in Sportstadien zur Tagesordnung gehören. Dass es im Schweizer Sport seit mehr als 20 Jahren keinen Spielabbruch wegen Ausschreitungen mehr gegeben hat, dass die Gewalt in Sportstadien stark rückläufig ist und dass es sich hier um Symbolbilder handelt, wird in der Abstimmungszeitung verschwiegen.“
Wir beschlossen Ende April 2013 zusammen mit der Grünen Kantonsrätin Alma Redzic Beschwerde beim Bundesgericht einzureichen. Am 7. Januar dieses Jahres veröffentliche dieses nun seinen scheinbar wegweisenden Entscheid.
Kritik des Bundesgerichts
Obwohl das Bundesgericht die Beschwerde in allen Punkten abweist, kritisiert es im Entscheid das Vorgehen der Zürcher Regierung ziemlich deutlich:
„Indessen ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Fotos geeignet sind, eine gewisse Emotionalisierung der Debatte zu fördern, was den Aufgaben der staatlichen Organe nach § 6 GPR/ZH widerspricht. Auch erscheint fraglich, ob mit der Wiedergabe der Fotos in der Abstimmungszeitung überhaupt ein zusätzlicher sachlicher Beitrag zur Meinungsbildung erbracht werden konnte, nachdem in den Medien - wie der Regierungsrat zutreffend anmerkt - teilweise mit denselben oder ähnlichen bildlichen Darstellungen ausführlich über gewalttätige Ausschreitungen berichtet wurde. Daran ändert entgegen der Ausführungen des Regierungsrats nichts, dass in der Abstimmungszeitung auf besonders angsterfüllende und emotionale Darstellungen, wie das beispielsweise bei Bildern von einem Fan-Massenaufmarsch mit gewaltbereiten Personen, von einem gewaltsamen Stürmen des Stadions oder des Fussballrasens oder von Exzessen mit pyrotechnischen Gegenständen in einer Menschenmasse der Fall wäre, verzichtet wurde. Der Regierungsrat ist bei der Information in der Abstimmungszeitung der Objektivität und Sachlichkeit verpflichtet und hat grundsätzlich alles zu unterlassen, was zu einer unnötigen Polarisierung und Emotionalisierung der Diskussion beiträgt. Ob die Verwendung der beanstandeten Abbildungen zu einer unzulässigen Beeinflussung einiger Stimmberechtigter führte, kann aber letztlich offen bleiben.“
(Link zum Entscheid: http://www.docdroid.net/9pqc/bg-entscheid.pdf.html)
Trotz dieser offensichtlichen Kritik des Bundesgerichts hielt es der Regierungsrat bis heute nicht für nötig diesen Entscheid in einer Mitteilung zu kommentieren. Auf der Homepage der Sicherheitsdirektion ist keine Stellungnahme zu finden.
Regierungsrat buchstabiert zurück
Nun zeigen sich aber die ersten Folgen dieses Bundesgerichtsentscheids und diese sind positiv. Wie heute diversen Medienartikeln zu entnehmen ist, hat der Regierungsrat nämlich beschlossen, dass ein Bild, welches die Abstimmung zur Initiative „Gegen Alkoholwerbung im Sport“ vom 18. Mai 2014 hätte untermalen sollen, nicht publiziert werden darf. Das genannte Bild zeigt eine Situation aus einem Eishockey-Match: Zwei Spieler kämpfen um den Puck, während auf ihrer Hosen die Logos zweier Schweizer Biermarken zu sehen sind.
Laut „Blick“ argumentiert der Regierungsrat dabei wie folgt: „Laut Regierung wäre der Abdruck eine unbeabsichtigte Werbung für zwei Bierhersteller (Feldschlösschen und Calanda). Das sei nicht mit dem Zweck der Initiative zu vereinbaren.“ Diese Argumentation ist derjenigen des Bundesgerichts auffallend ähnlich.
Auch wenn es der Regierungsrat nicht offen gesteht, gibt er damit unseren Kritikpunkten, welchen er noch im letzten Jahr mit aller Vehemenz widersprach Recht. Es ist nicht mehr von der Hand zu weisen, dass er unter der Führung von Mario Fehr im Abstimmungskampf über das Konkordat undemokratisch und reisserisch handelte. Der überdeutliche Erfolg an der Urne hatte er damit auf sicher. Aufgrund des Bundesgerichtsentscheid buchstabiert die Regierung nun zurück. Auch wenn es in diesem Fall seiner eigenen Meinung zu gute kommt. Spannend wird es, wenn die Regierung beim nächsten Mal ein eigenes Anliegen mit Bildern untermalen will. Dann sehen wir, ob sie spät (aber besser als nie) zur Einsicht gekommen ist. So hätte uns die Konkordatsabstimmung doch noch einen kleinen Erfolg eingebracht.
![]() | Luca Maggi Vizepräsident Grüne Partei Schweiz und Grüne Stadt Zürich |
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Der Drang mehr Gerechtigkeit in der Gesellschaft zu erlangen, trieb mich in die Politik. Mehr Gerechtigkeit im Umgang mit unseren Mitmenschen und der Natur. Wir Jungen sind die Zukunft! Gestalten wir sie also zusammen. Nachhaltig, gerecht und fair!
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