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Ein Zahnstocher als starkes Signal

Jana Aregger, 01.12.2013

„Ziel der Ausrichtung von Ausbildungsbeiträgen ist es, jungen Menschen ungeachtet von Herkunft, Geschlecht, sozialem Status oder finanzieller Leistungsfähigkeit eine ihren Fähigkeiten entsprechende Aus- und Weiterbildung zu ermöglichen.“

So heisst es im ersten Satz der Botschaft des Regierungsrates zum neuen Stipendiengesetz des Kantons Luzern. Mit dieser Aussage sind wohl die meisten Menschen einverstanden. Das Ziel sollte sein, dass jedes Mitglied unserer Gemeinschaft seine individuellen Fähigkeiten so gut wie möglich entwickeln kann. Damit ist dem Einzelnen, sowie der Gesellschaft am meisten gedient.

Trotz der schönen einleitenden Worte implizieren die Neuerungen des Gesetzes über Ausbildungsbeiträge gerade bezüglich dieser Punkte eine heikle Regression. Kurz, Chancengleichheit und Wahlfreiheit sind nicht mehr gewährleistet.

 

Was als positiv erachtet werden darf, ist die Aussicht auf einen neuen „gerechteren“ Berechnungsmodus.

Auch dass es in Zukunft möglich sein soll, mit Hilfe eines Onlineformulars selber zu prüfen, ob man Anspruch auf finanzielle Unterstützung hat, ist sinnvoll. Dadurch wird beidseitig Energie gespart.

 

Eine Verbesserung im Schafspelz

 

Der Gesetzestext enthält jedoch zahlreiche Mängel, welche gebührend zur Sprache gebracht werden müssen. Zunächst legt die Regierung die Gesamtausgaben für Ausbildungsbeiträge auf 13,7 Millionen Franken fest. Dies ist insofern nicht sinnvoll, da sich die Nachfrage für finanzielle Unterstützung ständig ändert. Statt einer Deckelung sollten die Ausgaben viel eher bedarfsgesteuert erfolgen.

 

Des Weiteren wird die Erhöhung um eine halbe Million Franken hochgespielt. Wenn man aber die Summe der Beiträge mit dem Verlauf der Studierendenzahlen in Verbindung bringt, ebbt der Anflug von Wohlwollen sogleich ab. Denn während sich die Zahl der Studentinnen und Studenten in 10 Jahren fast verdoppelt hat, waren die Ausbildungsbeiträge im Jahr 2012 sogar tiefer als im Jahr 2003. Demnach ist die geplante Erhöhung um 0,5 Mio. eher zu vergleichen mit einem Zahnstocher, den man einem Ertrinkenden zuwirft, während der Rettungsring in anderen Gewässern treibt.

Kommt hinzu, dass bloss die Darlehensmittel um 1,3 Mio. Fr. steigen. Für Stipendien will der Kanton sogar 0,6 Mio. Fr. weniger ausgeben als bisher.

 

Immerhin hat die Regierung erkannt, dass das momentane durchschnittliche Stipendium zu tief ist. Nun hebt sie aber die Beiträge nur für einen Bruchteil der Bezüger an. Und schliesst ausserdem eine grosse Zahl der bisher Unterstützungsberechtigten aus.

Konkret soll das durchschnittliche Stipendium in Zukunft von 5’348Fr. auf 6’700Fr. steigen (Darlehen von durchschnittlich 2’910Fr. auf 5’400Fr.). Angesichts der beschriebenen Deckelung hat dies zur Folge, dass ein Drittel der heutigen Stipendienbezüger nicht mehr anspruchsberechtigt sein wird. Von den Darlehensempfängern werden 15% nicht mehr staatlich unterstützt.

 

Gefährliche Einmischung von Privaten im Bildungssektor

 

Als letzten kritischen Punkt ist einzubringen, , dass nun die Zusammenarbeit mit Privaten gesetzlich festgehalten wird. Das heisst, der Kanton kann  offiziell mit der Firma „Studienaktie.org“ kooperieren. Diese Firma regelt für den Kanton die Angelegenheiten in Sachen privater Darlehen.

Das Unternehmen hat eigens dafür eine AG in Luzern gegründet. An diese werden die abgewiesenen StudentInnen in Zukunft verwiesen. Dort wird nach einer Laufbahnberatung ein minuziöser Lebensplan erstellt und Private, Firmen und Banken können anschliessend in einen investieren.

Je nach Einkommensaussichten wird erfahrungsgemäss bis zu 10% Zins verlangt. Auch, weil jeder Vertrag ganz individuell zwischen den beiden PartnerInnen ausgearbeitet wird. Erschwerend kommt hinzu, dass im Falle eines Studienabbruchs das gesamte Darlehen innerhalb von drei Monaten zurückbezahlt werden muss. Das Risiko einer Verschuldung ist demnach immens.

Diese Privatisierung birgt einerseits eine Ökonomisierung der Bildung. Studentinnen und Studenten, sowie Schüler und Schülerinnen werden zu Aktienkapital degradiert. Andererseits wird die Freiheit der Studienwahl nicht mehr gewährleistet sein, da zweifellos bevorzugt in Fachrichtungen mit Aussicht auf hohe Saläre spekuliert wird.

Es ist ausserdem keineswegs gewiss, ob das Angebot an Investoren die Nachfrage der Auszubildenden decken mag. Falls dies nicht der Fall ist, übernimmt „Studienaktie.org“ keinerlei Verantwortung. Die Studierenden stehen im Regen und der Kanton im Dreck.

 

Der Staat zieht sich in dieser Sache schlichtweg aus seiner Verantwortung. Eine direkte Bildungsbeteiligung von Privaten wie in diesem Fall ist höchst bedenklich. Fakt ist, dass der Staat von BürgerInnen mit hoher Ausbildung stark profitiert. Sodass die Ausbildungsbeiträge meist schon wenige Jahre nach Abschluss des Studiums durch die Steuereinträge amortisiert werden. Sogar der Regierungsrat meint: „Ausbildungsbeiträge können auch als Investition des Staates in seine Bu?rgerinnen und Bu?rger verstanden werden, um einen gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Nutzen zu stiften.“

 

Weiter ist in der Botschaft des Regierungsrates zu lesen: „Die Absicht, dass Kanton und Private eine Partnerschaft zur Bildungsfinanzierung eingehen, ist ein starkes Signal  für die aufstrebende Bildungsregion Zentralschweiz.“

In der Tat ist dieses neue Gesetz ein starkes Signal. Es stellt sich bloss die Frage, ob dieses Signal in die richtige Richtung zeigt, oder nicht viel eher den Weg in eine Sackgasse weist.

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Über die Autorin

Jana Aregger

Co-Präsidentin Junge Grüne Kanton Luzern
Einwohnerrätin Emmen

Jana Aregger, geb. 1993, in Ausbildung zur Grafikerin. Schon in ihrer Schulzeit hat sie sich für umweltpolitische Themen stark gemacht. Im Frühling 2012 ist sie deshalb zu den Jungen Grünen gestossen. Im Frühling 2013 wurde sie in den Vorstand der Jungen Grünen Kanton Luzern gewählt und seit S...

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