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Sind Shitshorms männlich?

Irina Studhalter, 17.06.2015

via Rollen rollen

 

Ein Shitstorm passiert und Hass-Mails stapeln sich im Postfach. Von Männern für Männer.

 

Oktober 2013, ein Kampfflugzeug stürzt ab. Über einen offiziellen Account wird ein unüberlegter Satz getwittert, zwei Stunden später wieder gelöscht. Ein Shitstorm bricht los. Die Partei nimmt die Verantwortung auf sich und gibt nicht bekannt, welche Person den umstrittenen Tweet geschrieben hat.

Ich bin Teil dieser Partei und ihres geschäftsführenden Organs. Während zwei Tagen erhalten wir im Halb-Stunden-Takt Hassmails, Beleidigungen, Drohungen. Von „ihr pietätslosen Nichtstuer“, über „schaltet den Twitterer aus, bis er tot ist“ bis zu „Adolf hätte exzellente Lösungen für Sie parat gehabt“, bekommen wir alles zu hören. Es geht so weit, dass wir die Polizei einschalten müssen.

 

Von Männern für Männer

Zwei Dinge lassen mich seither nicht mehr los: Zum einen war konsequent die Rede von dem Twitterer. Es wurde ausnahmslos angenommen, ein Mann hätte den Tweet geschrieben. Zum anderen reagierten lediglich Männer. Abgesehen von zwei Tweets und den anonymen Mails, hatten sämtliche Nachrichten einen männlichen Absender.

 

Sind Shitstorms männlich? Ist Politik männlich?

Gewiss, das Thema Militär betrifft zwangsläufig Männer stärker als Frauen. Auch die Rechtsaussen-Szene ist nicht für ihren hohen Frauenanteil bekannt. Und doch scheint mir meine Erfahrung symptomatisch für unsere Gesellschaft. Sie zeigt sehr bildlich, was Männer und Buben lernen. Aggressiv, konfrontativ, offensiv, stark und beschützend – so haben Männer zu sein. In diesem Moment waren diese Eigenschaften alles andere als angenehm, produktiv und dialogfördernd.

Kommen wir weg von Kampfjets und Hass-Mails. Stellt euch einen Politikanlass vor. Vielleicht ein Parlament, vielleicht eine Demo. Vorne am Rednerpult schwingt jemand eine Rede und spricht von Steuern, Arbeitsplätzen oder Schulen. Das Publikum klatscht und schwingt ein paar Fahnen. Nun, wie habt ihr euch die Person am Rednerpult vorgestellt? Lasst mich raten: Ein Mann, um die 50 Jahre alt, eine dunkle Jacke, vielleicht sogar Hemd und Krawatte? Bingo. Das ist mein Problem.

 

Das Klischee –  mein Hindernis

Politik ist immer noch männlich. All jene Menschen, die nach besagtem Tweet wütend wurden und zur Tastatur griffen, bedienten sich an diesem Klischee. Kompetenz wird eher jenen Menschen zugesprochen, die dem Klischee entsprechen. Wie also sollen Frauen, die halb so alt sind wie die typischen Polit-Herren und keine schicke Kleidung haben in diesem System reüssieren. Sich anpassen mit dem Risiko dem „Idealbild“ trotzdem nie zu entsprechen?


Dieses System läuft verkehrt. Typisch männliches Verhalten soll nicht leidstiftend und zerstörend sein. Frauen sollen nicht männlicher werden müssen, um Erfolg in der Politik wie sonstwo im Leben zu haben. Viel eher sollten wir wegkommen von den Grundsätzen zwischen Frau und Mann und hinkommen zu einem Kontinuum zwischen den Geschlechtern und einer Bedeutungslosigkeit der Kategorien Mann und Frau. Kinder sollten ein offenes Miteinander lernen, das auf Respekt baut, Grenzen öffnet und sie das sein lässt, was sie sein wollen. Auch in der Politik.

Über die Autorin

Irina Studhalter

Politikwissenschaft BA, Campaignerin
Grossstadträtin Luzern

Irina Studhalter, geb. 1993, studierte Politikwissenschaft, arbeitet heute in politischen Kampagnen. Schon als kleiner Spross gab sie bei der Kinderlobby Schweiz und als Lobbyistin für die Jugend im Bundeshaus ihren Senf dazu. Seit 2012 tut sie das auch als Feministin und Strategin bei den Jungen G...

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